Die Verblichenen

Wieviel bleibt in uns von denen, die gegangen sind? Malen aus der Erinnerung heraus. Was bleibt – was blieb?

Wie bereits beschrieben (letzter Artikel): die Weihnachtszeit bringt vieles wieder ans Licht. Darunter auch die Gedanken an die Lieben von denen wir bereits Abschied nehmen mussten.

Die ganzen, alten Fotos will man eigentlich rausziehen und in seinen Erinnerungen schwelgen, aber verdammt noch mal das sind alles hunderte alter Dias. So einfach heute anschauen ist nicht und seit Jahren schiebt man die Digitalisierung derselben vor sich her. Wann hat man schon mal die Zeit solche Arbeiten zu machen.

Also habe ich mich auf ein Experiment eingelassen.

Dieses Bild soll der Startpunkt sein, weitere sollen folgen.

Um auch mir zu verdeutlichen, was verblassen (die Verblichenen) bedeutet, will ich Personen meiner Kindheit, meiner Jugend malen, so wie ich diese in Erinnerung habe. Verbunden mit Symbolen und Bilder gemeinsamer Erlebnisse und Tätigkeiten.

Der erste Schritt ist wirklich schön. Was hat man alles zusammen gemacht? Wo war man? Wie war das?

Dann wird es komisch. Ich kann mich vermeintlich noch genau an Kleidungstücke erinnern, aber  die Gesichter scheinen verblichen. Nicht dass ich die Personen nicht erkennen würde, aber es reicht, trotz der ehemaligen Vertrautheit, nicht um Porträts zu malen.

Erschreckend -nicht?

Und da bin ich bei meinem Experiment:

Ich will die Lieben umgeben von weiteren Eindrücken malen, wobei ich die Fotos / Dias zuvor nicht anrühre. Ich will wissen, was, wieviel noch in meinem Gehirn schlummert.

Erst wenn die Serie beendet ist, möchte ich mich wirklich an die Fotos / Dias wagen.

Bild 1, meine Großeltern, väterlicher seits

Opa Emil und Oma Lina, Öl auf Malplatte 40×40 cm

Mein Stil soll erhalten bleiben, es sollen schnelle Bilder werden, die beim Malen durchaus zu weiteren Erinnerungen führen, die dann sofort aufgenommen werden.

Eine Ähnlichkeit in den Gesichtern kann ich trotz mehrerer Versuche nicht erreichen. Manche Merkmale funktionieren, aber Ähnlichkeit beim Porträt erreiche ich nicht. Ist das nicht erschreckend?

Da verbringt man Jahrzehnte zusammen und dann das.

Erschrecken Sie doch mal Ihre Frau

Ein Ölbild – zum Trocknen aufgehängt – verstört meine Frau.

Zur Situation: Es ist kurz vor Weihnachten und ich kann zur Zeit schlecht schlafen. Wenige Stunden reichen mir jede Nacht, dass ich recht fit aus dem Bett steige. Also male ich momentan viel und vor allem des Nachts bis in die frühen Morgenstunden.

Dabei setze ich einfach meine Gedanken, meine Eindrücke der zurückliegenden Zeit um.

Dieses Bild entstand auch in einer Nacht und hing dann zum Trocknen an einer Wand.

Man hängt an einer Theke vor einem Wiskeyglas und stiert vor sich hin.
Ein Glas Liebe, Öl auf tiefer Leinwand, 80×40 cm

Was ist wohl Ihr erster Eindruck beim Betrachten des Bildes?

Gedankenverloren hängt ein Mann an der Theke vor seinem Glas herum und starrt vor sich hin. Die Flasche dazu trägt die Aufschrift Lov(e).

Ein Alkoholiker? Ein Verzweifelter?

Nein – mein Impuls war die ganze Liebe vor Weihnachten, die aus allen Ecken kriecht und einen dahin rafft. Ein viel zu tiefer Blick in dieses Glas Liebe. Liebe zu den Lieben, Gedenken an die Toten, Gefühlsdusselei mit anderen, eigentlich Unbeteiligten, …

Es steht die Frage im Raum Was passiert hier, was passiert mit mir – warum?  Im neuen Jahr erwacht man dann – mit einem Kater – oder?

Apropos: Meine Frau war am Morgen, als sie das Bild sah, ziemlich erschrocken. Verstehen Sie warum?